Rede zur Kundgebung gegen den NSU 2.0 und institutionellen Rassismus, 19.01.19 in Frankfurt

Wir, vom Bündnis „Kein Schlussstrich Hessen“, erklären uns solidarisch mit der Anwältin Seda Başay-Yıldız und ihrer Familie. Wir sind solidarisch mit allen Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Wir sind solidarisch mit allen von Polizeigewalt Betroffenen.

Unbestritten ist, dass in der Polizei eine Gruppe von Rechtsextremen unter der Selbstbezeichnung NSU 2.0 die Anwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie mit dem Tod bedroht haben. Zweimal! Beteiligt daran waren Polizist*innen hier aus dem 1. Polizeirevier Frankfurt.
Der hessische Innenminister Beuth wusste bereits im August von den Morddrohungen und unterrichtete das Parlament nicht – so wie auch Bouffier das Parlament nach dem Mord an Halit Yozgat nicht über die Anwesenheit des Verfassungsschützers Andreas Temme unterrichtete! Schweigen über rechtsextreme Sicherheitsbehörden gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit scheint bei der CDU Hessen eine Tradition zu sein!
Obwohl der NSU 2.0 dem Innenminister Beuth seit August bekannt ist, wurde das Netzwerk in der Polizei noch immer nicht vollumfänglich aufgedeckt! Erst vor kurzem erhielt Familie Başay-Yıldız statt Aufklärung eine zweite Drohung! Und anstatt sich Seda Başay-Yıldız und ihrer Familie angemessen solidarisch zu zeigen, anstatt den Schutz aller Bürger*innen zu garantieren, wurde ihr nach den Vorfällen von der Polizei ernsthaft geraten sich selber zu bewaffnen! Das ist ein Skandal! Ist es neuerdings die Aufgabe der Polizei Anwält*innen zu bedrohen statt sie zu schützen? Oder gilt das etwa nur für migrantisierte Anwält*innen?

Diese Drohungen sind kein Einzelfall! Wie sehr die polizeiliche Arbeit von Rassismus geprägt ist, zeigt auch das Racial Profiling der letzten Wochen an der Frankfurter Hauptwache. Mehrere Videoaufnahmen und Augenzeug*innenberichte der rassistischen Kontrollen zeigen deutlich: Rechtsextreme bei der Polizei sind nur die Spitze des Eisberges. Schwarze und migrantisierte Menschen sind in ihrem Alltag immer wieder mit Schikanierungen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen von Seiten der Polizei konfrontiert. Wir fordern eine unabhängige Beschwerdestelle für Betroffene, wie sie in anderen Ländern längst üblich ist!

Dass auch nach Bekanntwerden des Netzwerkes eine erneute Drohung unter dem Kürzel NSU 2.0 folgte, zeigt deutlich die tiefen rechten Strukturen in der Polizei.
Für das Bündnis „Kein Schlussstrich Hessen“ machen diese Ereignisse erneut deutlich, dass die Strukturen unverändert sind, welche den NSU-Komplex ermöglicht haben.
Wie tief muss der Rassismus bei der Polizei sitzen, wenn Rechtsextreme auf der Wache nicht weiter auffallen? Die rassistischen, antisemitischen und behindertenfeindlichen Positionen der Beamt*innen wurden entweder von einem großen Teil der Kolleg*innen einfach ignoriert oder sogar geteilt.
Wenn Polizist*innen mit dem Kürzel NSU 2.0 eine im NSU-Prozess engagierte Nebenklage-Anwältin bedrohen, zeigt sich das Weiterwirken des NSU-Komplex: der Rassismus ist in staatlichen Strukturen tief verankert.
Dass die Polizei-Gewerkschaft dann ernsthaft behauptet Rassismus resultiere aus der Belastung der Kolleg*innen im Arbeitsalltag, ist eine gefährliche Verharmlosung. Krankenpfleger*innen haben auch eine große Arbeitsbelastung – doch sind uns zumindest keine rechten Strukturen unter ihnen bekannt!
Wir müssen es benennen wie es ist: Es gibt ein strukturell rassistisches Problem bei der Polizei! In Konsequenz sind große Teile der Bevölkerung vor rechter Gewalt nicht geschützt.

Solange sich rechte Akteur*innen offensichtlich bei der Polizei pudelwohl fühlen, ist die Aufarbeitung des NSU-Komplexes gescheitert! Wir fordern eine umfassende Aufklärung des NSU-Komplexes und der NSU 2.0! Wir fordern Solidarität mit Seda Başay-Yıldız und allen Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt!
Kein Schlussstrich!