Presseerklärung zum NSU 2.0

Unsere Erklärung zum NSU 2.0 und den rechtsextremen Strukturen/Gruppen in der Frankfurter Polizei:

Vor wenigen Tagen ist der Öffentlichkeit bekannt gegeben worden, dass in der Polizei in Frankfurt eine Gruppe von Rechtsextremen unter der Selbstbezeichnung als NSU 2.0 die Anwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie mit dem Tod bedroht haben. Am gestrigen Mittwoch wurde klar, dass der hessische Innenminister Beuth bereits im August von den Morddrohungen wusste und das Parlament nicht unterrichtete.

Für das Bündnis „Kein Schlussstrich Hessen“ machen die aktuellen Ereignisse erneut deutlich, dass die Strukturen unverändert sind, welche den NSU-Komplex möglich gemacht haben.
„Wie tief muss der Rassismus bei der Polizei sitzen, wenn Rechtsextreme auf der Wache nicht weiter auffallen? Die rassistischen, antisemitischen und behindertenfeindliche Positionen der Beamt*innen wurden entweder von einem großen Teil der Kolleg*innen einfach ignoriert oder sogar geteilt “, so Meltem von Bündnis „Kein Schlussstrich Hessen“.

Wie sehr die polizeiliche Arbeit von Rassismus geprägt ist, zeigt auch das Racial Profiling der letzten Wochen an der Frankfurter Hauptwache. Mehrere Videoaufnahmen und Augenzeug*innenberichte der rassistischen Kontrollen zeigen deutlich: „Rechtsextreme bei der Polizei sind nur die Spitze des Eisberges. Schwarze und migrantische Menschen sind in ihrem Alltag immer wieder mit Schikanierungen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen von Seiten der Polizei konfrontiert. Es braucht endlich eine unabhängige Beschwerdestelle für Betroffene, wie sie in anderen Ländern längst üblich ist“ so Meltem.

Dass die rechtsextremen Aktivitäten der Frankfurter Polizist*innen keine Einzelfälle sind, sondern dadurch ein strukturelles Problem mit rechtem Gedankengut sichtbar wird, zeigt die Vielzahl weiterer Fälle, die in diesen Tagen publik werden. Hilde von Kein Schlussstrich Hessen stellt fest: „Wenn sich rechte Akteur*innen offensichtlich bei der Polizei pudelwohl fühlen, ist die Aufarbeitung des NSU-Komplexes krachend gescheitert.“

Dass auch die Politik keine Lehren gezogen hat, bewies Innenminister Beuth in einer Sondersitzung des hessischen Landtages, als er zugab, dass er seit August von den Morddrohungen gegenüber Seda Başay-Yıldız unter dem Titel NSU 2.0 wusste, das Parlament darüber allerdings nicht in Kenntnis gesetzt hatte. „Es werden Parallelen zum Verhalten Bouffiers im Jahr 2006 deutlich, als dieser nach dem Mord an Halit Yozgat das Parlament nicht darüber informierte, dass der Verfassungsschützer Andreas Temme unter Mordverdacht stand“ so Hilde.

Für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt bedeutet das Auffliegen eines rechtsextremen Netzwerkes in der Polizei weitere Verunsicherung. Zum Abschluss des Jahres 2018 reiht sich der Polizeiskandal ein in die rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz, die anschließenden Verharmlosungen und Verschwörungstheorien des mittlerweile entlassenen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen oder der weiter unaufgeklärte Tod von Amad A., welcher an den Folgen eines Brandes in seiner Zelle starb, in der er aus ungeklärten Gründen fälschlicherweise festgehalten wurde.

„Auf Staat und Polizei können wir uns nicht verlassen. Es braucht viel mehr zivilgesellschaftliches Engagement, welcher den Rassismus in den Behörden in den Blick nimmt und tatsächlich angeht“ so Meltem.